
Coverfoto: Goldmann-Verlag
Es ist offenbar Mode, im Literaturbetrieb zunehmend Journalisten als Protagonisten einzusetzen. Beate Maxian lässt ihre Chefredakteurin Sarah Pauli nun schon zum elften Mal kriminalisieren. Zugegeben, ich kenne jetzt nur „Die Tote im Kaffeehaus“, die vorausgegangenen zehn Fälle dieser als Wien-Krimi titulierten Reihe ist mir unbekannt. Aber wie das eben so ist, wenn eine Reihe zu lang gerät, schleift sich manches ab. Zwar ist „Die Tote im Kaffeehaus“ ein solider und auch ordentlich geschriebener Krimi, aber …
… der Plot ist zu durchsichtig, Spannung will nicht wirklich aufkommen. Zu früh lässt sich erahnen, wer der Täter ist, auch wenn die Autorin sich krampfhaft müht, falsche Spuren zu legen und den Leser in die Irre zu führen. Davon abgesehen ist der Handlungsort beliebig und austauschbar. Vielleicht hat die Autorin in den vorausgegangenen Bänden ihr Wien gezeichnet, es lebendig werden lassen, die Atmosphäre beschrieben; es gelingt ihr – zumindest in diesem Buch – nicht, das Flair des modernen Wien in seinen alten und traditionellen Kaffeehausmauern wie einen Film vor das geistige Augen eines Lesers zu projizieren, der Wien nicht kennt.
Dabei hilft auch das Titelbild nicht, das einen schlecht fotografierten klassizistischen Bau zeigt, den ich in nahezu identischer Form aus Berlin, Paris und New York kenne. Ansonsten hechelt Sarah Pauli durch anonyme Straßen. Man erfährt, dass es „von der Operngasse nicht weit zur Wollzeile“ ist. Und Sarah Pauli dazu die Strecke über den Opernring, den Neuen Markt und die Seilergasse nimmt. Den Weg darf man mit dem Finger auf dem Stadtplan auf der Innenseite des Klappcovers verfolgen. Die Straßen wirken dennoch tot. Nicht nur, weil laut Autorin wenig Touristen unterwegs sind, auch weil sie es versäumt, die Straßen und damit die Stadt leben zu lassen. Da liest sich der Hinweis, dass Friedensreich Hundertwasser, H. C. Artmann und Ernst Fuchs das Kaffee „Hawelka“ liebten und es häufig besuchten, eher wie peinliches Name-Dropping statt Atmosphäre kreierendes Aperçu.
Da hilft es auch nicht, dass Tradition in Gestalt der Kaffeehausbesitzerin und Opfers Marianne Böhm auf Moderne in Person ihres Sohns Clemens Böhm prallen. Die eine möchte die traditionelle Form des Kaffeehauses bewahren, der andere will in eine moderne und zeitgemäße Ausstattung investieren. Was seine Mutter zu verhindern sucht, indem sie plant, den konservativen Barista, Kaffeebuchautor und Kaffeeexperten Linus Oberhuber zu adoptieren, damit der als Erbe ihres Imperiums dieses in ihrem Sinn weiterführt. Ein Affront gegenüber ihrem Sohn und vor allem dessen dominanter Ehefrau Michaela.
Während Sarah Pauli die Kaffeehausbesitzerin zu ihren Zukunftsplänen interviewt, stirbt Marianne Böhm an der Überdosis eines Nahrungsergänzungsmittels, das sie seit Jahren täglich einnimmt. Natürlich beginnt Sarah Pauli zu recherchieren, selbstverständlich gerät sie in Lebensgefahr, selbstverständlich übersteht sie sämtliche Anschläge. Alles ziemlich unspektakulär. Und oft auch klischeehaft.
Autorin Beate Maxian wird in ihrer Kurzvita als Journalistin vorgestellt. Nun kann sich jeder Journalist nennen, denn weder ist der Begriff eine geschützte Berufsbezeichnung noch braucht es eine Ausbildung oder gar eine Prüfung vor einer irgendwie gearteten Kammer. Man muss von Journalismus wie er für Redakteure bei Zeitungen, dem Radio und dem Fernsehen verlangt wird, noch nicht mal eine Ahnung haben.
Und so kommt mir auch Sarah Pauli vor. Vom Job keine Ahnung, aber drüber reden. Vor allem über Hierarchien. Die mögen in Österreich anders sein als in Redaktionen deutscher Medien. Aber so richtig mag ich es nicht glauben. Zumindest sind mir in meiner mehr als 40-jährigen journalistischen Berufserfahrung keine untergekommen. Vielleicht habe ich auch ein veraltetes Berufsbild, das besagt, dass Chefredakteure, -innen inklusive, mehr die Verwaltungsmenschen sind, die die Richtung einer Zeitung vorgeben. Die sich mit Personalproblemen quälen, als Verbindungsglied zum Herausgeber fungieren, einen Leitartikel schreiben, aber die sich eher nicht auf der Gasse herumtreiben und Kriminalfälle aufklären. Sarah Pauli vermittelt mir das Bild einer Frau, die sich in die Rolle der Chefredakteurin hoch gebumst hat, vor allem auch, weil sie mit dem Herausgeber David, der eher in die Rolle des Chefredakteurs passt, liiert ist. Und der lässt ihr natürlich sämtliche Freiheiten, die sie in ihrer Rolle als literarische Figur braucht.
Für mein Berufsverständnis sind Journalisten neugierig, interessiert, jeden Tellerrand zu überblicken, ständig motiviert, meist sogar übermotiviert, das angepeilte Thema aufzubereiten. Sie sind gesetzlich geschützte Katastrophentouristen mit der Lizenz zu nerven. Auch die Anfänger im Job, der Sarah Pauli nach eigener Aussage nicht sein will. Aber leider benimmt sie sich wie einer. Und das tut manchmal weh, wenn sie dem Leser eine Lehrstunde in Sachen Journalismus geben will: „Verdammt, David, stell‘ mir halt keine Fragen, als wäre ich eine verfluchte Anfängerin! Ich weiß, wie ich an Informationen rankomme, und ich weiß auch, ob und wann ich meine Ergebnisse veröffentlichen kann. Außerdem kenne ich die optimale Dosis und werde nicht gleich zu Beginn der Berichterstattung mein ganzes Pulver verschießen.“
Dialoge wie diese können von einem beleidigten Volontär kommen, der glaubt, den Journalismus in der Gesamtheit seiner Finesse mit Löffeln gefressen zu haben. Nicht aber von einer Redakteurin, die qua Amt über eine Schar von Mitarbeitern herrscht, sie anleitet und notfalls über deren berufliche Zukunft entscheidet.
Sarah Pauli – setzen! Fünf!
Beate Maxian:
Die Tote im Kaffeehaus
416 Seiten, ISBN 9783442490165
Preis:
D 11,00 Euro (Print)
A 11,40 Euro (Print)
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